Test: Tunic macht nur wenige Fehler, aber die kosten es eine großartige Wertung

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Tunic ist das Spiel mit dem Fuchs, das bei Dark Souls in die Schule ging. Was wie ein großartiger Geheimtipp wirkt, ist aber nichts für jeden.

So – da sich das Jahr 2022 dem Ende zuneigt, wollen wir nochmal einigen besonderen Spielen ihre verdiente Aufmerksamkeit zukommen lassen, die zwischen den großen Releases vielleicht etwas untergegangen sind. Und wer darf dabei nicht fehlen? Richtig, das charmante Soulslike-Adventure Tunic.

Ursprünglich im März 2022 erschienen, konnte Tunic schon sehr viele Fans und viele Magazine zum Strahlen bringen, mit fast 6.000 positiven (Steam-Bewertungen), vielen glücklichen Xbox-Game-Pass-Spielern und einer von der Demo sehr begeisterten Steffi. Was, 85er-Metascore? Dann wird es wirklich höchste Zeit für einen Test! Als erstes zeigen wir euch aber mal Gameplay aus dem täuschend knuffigen Spiel, das schnell hammerhart wird:

Tunic mag so niedlich wie The Legend of Zelda: Link’s Awakening aussehen, hat aber gehörig Dark Souls im Blut. Ihr übernehmt die Kontrolle über einen kleinen Fuchskrieger, der eine mystische Welt retten muss. Vermutlich – denn genauso wie sein Vorbild gibt Tunic nur sehr wenige bis gar keine Antworten auf das Was, Warum und Wieso. Die Geschichte bleibt Interpretation, das Gameplay dagegen Faszination aus Erkunden, Kämpfen und Rätseln.

Ein großartiger Geheimtipp für jedermann? Nein, nicht unbedingt, wie wir euch in unserem Test zeigen werden.

Seid wieder Kind und erkundet die Welt

Es war einmal ein kleiner Fuchs, der an einer Küste erwachte … Märchenhaft zieht uns Tunic sofort in seinen Bann – mit seiner isometrischen Low-Polygon-Welt, seinen niedlichen Modellen und seiner Musik, die uns in eine regelrechte Trance versetzt, die sagt: »Entspann dich jetzt einfach, ich bin ein Wohlfühlspiel«.

Optisch erinnert das Ganze stark an unsere Kindheits-Adventures, weshalb wir ganz nostalgisch werden, auch wenn das Spiel erst frisch geschlüpft ist. Wir haben Fragen über Fragen. Wer sind wir? Wo sind wir? Was müssen wir tun?

(In Tunic spielt ihr einen kleinen Fuchs in einer wunderschönen und mystischen Low Polygon Welt.)
(In Tunic spielt ihr einen kleinen Fuchs in einer wunderschönen und mystischen Low Polygon Welt.)

Tunic antwortet darauf nicht, und wenn es doch mal antwortet, dann nur in rätselhaften Glyphen und Szenen mit stummen Charakteren. Es ist und bleibt ein Geheimnis und es liegt an uns, dieses zu entschlüsseln. Unsere einzige Hilfe stellt dabei das wunderschöne Spielhandbuch dar, dessen einzelne Seiten wir allerdings erst einmal zusammensuchen müssen. Und auch die sind kryptisch gehalten. Darauf muss man sich einlassen können.

Unser Spielplatz ist eine clever verzahnte Welt, die mit mehreren Ebenen, Seitenwegen, Geheimpfaden und Abkürzungen immer wieder zum Erkunden und Entdecken einlädt. Gerade wer den Bereich absucht, der vor der Kamera verborgen bleibt, wird oft mit versteckten Schätzen belohnt.

Zusätzlich eröffnet uns jeder neue Gegenstand neue Wege: Mit dem Schwert können wir Bäumchen fällen, mit der Lampe dunkle Gebiete betreten und mit den Bomben geheime Korridore frei sprengen. Tore öffnen, Brücken ausklappen, Seile herunterlassen, durch eine Lücke schlüpfen und plötzlich wieder in bekannten Gebieten herauskommen – die Spielwelt von Tunic streichelt euch für jeden gelaufenen Fuchsschritt.

(Die Geschichte bleibt die gesamte Zeit über sehr kryptisch: Wen müsst ihr da aus was für einem Gefängnis befreien?)
(Die Geschichte bleibt die gesamte Zeit über sehr kryptisch: Wen müsst ihr da aus was für einem Gefängnis befreien?)

Hinter der Fassade lauern harte Kämpfe

So – Schluss mit lustig! Denn Tunic kann mit der Hand, mit der es streichelt, auch hart zuschlagen. Der Einstieg mag sich noch etwas langatmig spielen (Wir verprügeln Drops mit einem Stock) und euch das Gefühl geben, dass das Spiel vielleicht doch zu langweilig-leicht sein könnte. Aber danach zieht der Schwierigkeitsgrad ordentlich an und macht seinem Dark-Souls-Vorbild alle Ehre.

Im Kampf setzt ihr auf Schlagen und Ausweichen, euer A und O ist das Auswendig-Lernen der gegnerischen Kampfmanöver. Schlagen verbraucht im Gegensatz zum Ausweichen keine Ausdauer, aber Dauerprügeln hält die Ausdauer davon ab, sich zu regenerieren. Wer also seinem keuchenden Fuchs keine Pause gibt, kommt nicht mehr vom Fleck und kassiert Schläge.

(Mag süß aussehen, hat aber ordentlich Dark Souls im Blut: Um die vielen Feinde zu besiegen, müsst ihr taktisch kämpfen und Manöver auswendig lernen.)
(Mag süß aussehen, hat aber ordentlich Dark Souls im Blut: Um die vielen Feinde zu besiegen, müsst ihr taktisch kämpfen und Manöver auswendig lernen.)

Erledigte Gegner lassen Edelsteine fallen. Gibt euer Fuchs selbst den Löffel ab, muss er einen Großteil seiner gesammelten Schätze bei einer Geistersilhouette zurücklassen. Ein Pech, denn die Klunker dienen dazu, Items beim knochigen Geisterhändler eures Vertrauens einzukaufen.

An Schreinen könnt ihr speichern und euch ausruhen, aber – man kennt es – jeder Besuch füllt die Welt wieder mit Gegnern. Da die Steuerung auf der Tastatur sehr hakelig ausfällt, empfehlen wir von Anfang der Griff zum Controller.

Schwierigkeitsgrad: Friss oder fruste!

Während die Kämpfe – vor allem die gegen Bosse – oft gut fordern und auch trotz vieler Tode großen Spaß machen, gibt es allerdings auch einige Gefechte und Situationen, die aufgrund mancher Design-Pannen sehr frustrierend sein können.

(Manchmal machen die Kämpfe ihren Job fantastisch, manchmal enden sie im Frust weil zu viele Gegner auf zu kleinem Raum auftauchen.)
(Manchmal machen die Kämpfe ihren Job fantastisch, manchmal enden sie im Frust weil zu viele Gegner auf zu kleinem Raum auftauchen.)

Sei es, weil sich das Anvisieren ab und zu lieber auf weit entfernte Gegner konzentriert als die Tobenden direkt vor uns. Sei es, weil wir ein Gebiet betreten, das für drei schnappende Krokodile und drei aus der Ferne schießende Drohnen viel zu eng ist. Oder sei es, weil wir (in seltenen Fällen) mit einer Ausweichrolle im unendlichen Nichts unter der Map landen oder von einem Bossgegner durch seine großflächigen Attacken in einer Ecke bis zum Tod festgehalten werden.

Hierbei bekommt das Kryptische an Tunic auch einen äußerst bitteren Beigeschmack: Wer nämlich nicht zufällig auf Handbuchseite X entdeckt hat, dass Edelsteine und ungekennzeichnete Objekte beim Schrein durch den Druck auf eine Taste, die nicht automatisch angezeigt wird, für Verbesserungen eingelöst werden können, spielt längere Zeit unterlevelt, ohne es zu wissen.

Die Speicherpunkte sind zwar gut und fair gesetzt, aber das gleicht den manchmal aufkommenden Frust nicht unbedingt aus. Das Menü möchte mit seinen individuellen Schwierigkeitseinstellungen ein perfektes Spielerlebnis für jedermann bieten. Aber diese Optionen bieten zwar Hardcore-Spielern großartige Herausforderungen, alle anderen könnten sich aufgrund von spielbrechenden Optionen wie Unverwundbarkeit & Co. Aber etwas veräppelt vorkommen.

Die perfekte Balance ist nicht schnell gefunden, zumal die Einstellungen keine Auswirkungen auf die Bugs und unpassenden Kampfareale haben. Tunic wirkt von außen betrachtet wie ein perfektes Einsteigerspiel für Souls-Neulinge, richtet sich im Laufe der Kampagne aber eher an Eingefleischte und Frustresistente, während alle anderen Spieler in den sauren Märchenapfel beißen müssen.

(Erkundet die Welten aufmerksam und nutzt Fernrohre, um euch einen Überblick über die Strukturen zu verschaffen.)
(Erkundet die Welten aufmerksam und nutzt Fernrohre, um euch einen Überblick über die Strukturen zu verschaffen.)

Und darüber hinaus?

Auch wenn die kryptische Welt und Handlung großartig zur Trance-Stimmung beitragen, vergeuden sie gleichzeitig – ohne zufriedenstellende Auflösung – viel Potenzial, uns an Tunic zu fesseln und noch tiefer einzusaugen. Dass sich das Spiel so geheimnisvoll gibt, kann man auch als Ausrede der Entwickler wahrnehmen sich keine große und interessante Hintergrundgeschichte ausdenken zu müssen.

So bleibt Tunic nur ein unterhaltsamer Gameplay-Spielplatz mit hübscher Kulisse und ein bisschen Lore. Der gesamte Erwartungsdruck, den Spieler zu unterhalten, liegt somit alleine auf dem Gameplay, das diesen trotz cooler Ideen den Zeitraum von 12 bis 15 Stunden nicht komplett erfüllen kann.

(Jedes Gebiet hat seine eigenen Besonderheiten. In den Katakomben müsst ihr euch voll und ganz auf den Lichtkreis eurer Lampe verlassen, um nicht in gefährliche Fallen zu treten.)
(Jedes Gebiet hat seine eigenen Besonderheiten. In den Katakomben müsst ihr euch voll und ganz auf den Lichtkreis eurer Lampe verlassen, um nicht in gefährliche Fallen zu treten.)

Gerade das letzte Drittel des Spiels fällt eher monoton aus und mündet in dem frustrierendsten Final-Bosskampf, den wir seit längerer Zeit gesehen haben. Tunic trägt seine Vorbilder stolz auf der Brust, reicht aber an beide nicht heran – dafür ist es zu wenig The Legend of Zelda: Link’s Awakening (ohne dessen Tiefe) und genauso zu wenig Dark Souls (ohne dessen kämpferische Komplexität).

Fazit der Redaktion

Spiele, die prinzipiell sehr gut sind, haben das Problem, dass jeder kleinere Fehler an wichtigen Stellen sie den Olymp um Haaresbreite verpassen lassen können. Ich hatte großen Spaß mit Tunic, auch wenn das Spiel völlig andere Erwartungen in mir geweckt hat. Optik und Gameplay driften hier komplett auseinander. Während Minecraft Dungeons für mich die gelungene Kinderversion für Diablo ist – weil es das Grundprinzip vereinfacht, ohne es zu verwässern –, hätte Tunic das Gleiche für Dark Souls sein können.

Tunic hat eine unfassbar clevere Welt und einen einnehmenden Look, aber letztlich kommt es auf das Entscheidende an – die Balance im Gameplay. Im besten Fall kann ich die Niederlage auf meine eigenen Fehler zurückführen. Wenn aber Bugs und komisch arrangierte Situationen vorkommen, liegt mein Schicksal nicht mehr in meinen Händen, sondern in denen eines launischen Systems. Und das killt den Spaß. Bestraft mich bitte nur, wenn ich es wirklich verdient habe!

Mit einem breiteren und kontrollierbaren Zugang hätte Tunic ein großes Alleinstellungsmerkmal haben können, das heißersehnte Soulslike mit Easy-Mode, aber so wirkt es jetzt wie Dark Souls’ junges Kind, das zwar die schönen Augen seiner Mutter Zelda hat, aber für den großen Kampf noch nicht bereit ist.